Bonner Rundschau

Bonn, 11.3.1997

Verzerrte Welt

Der Kölner Künstler Martin
Kippenberger ist tot


von Annette Schroeder

„Verschwender, Animator und Selbstdarsteller, Angeber, Anführer und Vorsteller" - ein Porträt des Künstlers als Enfant terrible, entworfen von Martin Kippenberger selbst, der voller Lust Klischees des Kunstbetriebes aufspießte. Sei es mit Bildern, die er malte oder malen ließ, sei es mit anarchistischen Zwei-Mann-Stücken, die er mit seinem Kollegen Albert Oehlen ausheckte.

Die ernsthafte Avantgarde-Gemeinde brachten sie zum Lachen, etwa mit „No problem", betreffend den Alkohol. Tatsächlich balancierte Martin Kippenberger, der am Wochenende im Alter von 44 Jahren an Leberkrebs in Wien gestorben ist, am Rande der Selbstzerstörung. Der aus Dortmund stammende Künstler hielt seiner Gegenwart den Zerrspiegel vor, dabei machte er sich angreifbar, mischte sich ein, statt auf ironische Distanz zu achten. Ein „Dialog mit der Jugend" etwa hatte Folgen: Das Foto zeigt das blutverkrustete, dickverpflasterte Gesicht des Künstlers, der 1983 Kanonenboot und Weihnachtsmann unter blauem Himmel zum hinterhältigen Tableau „Krieg böse" zusammengespannt hatte. Es war die große Zeit der „Mühlheimer Freiheit", die mit ihren neuen wilden Bildern den Puls der Kunstszene schneller schlagen ließ.

Doch Kippenberger, der 1978 nach Köln gezogen war, verließ bald den Rahmen einer plakativ-expressiven Malerei und stellte sein multi-mediales Talent in den Dienst einer bissigen Gesellschaftskritik, die getragen war vom „Mut zum Dreck", in dem der Künstler die Schönheit findet. In mehrteiligen Bildsequenzen verfremdet er das kleinbürgerliche Heldenleben, gibt beispielsweise in „Null Bock auf Ideen" (1982/83) ein schrilles Puzzle, das von „Titten, Türmen, Tortellini" bis zum „Querschnitt eines Kindertopfes nach Colani" reicht und vielfältige Assoziationen weckt, wobei Titel und Darstellungen einander verstärken. Doch alle Provokationen, mit denen Kippenberger bewußt die Grenzen des konventionellen Geschmacks überschritt, schützten nicht vor musealer Vereinnahmung des Künstlers. In der Kölner Schau „ars pro domo" war er ebenso vertreten wie in der Päsentation der Sammlung Reiner Speck, der dem Museum Ludwig Kippenbergers „Reise nach Jerusalem" schenkte.

Für den Kölnischen Kunstverein ließ Kippenberger 1991 zerstörte (allerdings vorher fotografierte) Bilder in einen Container verfrachten, in der Eifeler Galerie von Erhard Klein zeigte der Fußballfan den „Goldenen Schuß" der WM 1994, der auf abgemalte Bilder von David Hockney gedruckt war - neben den Klischees der Werbung und Politik nahm er nun Künstler- und Sportler-Idole aufs Korn. Und als „Der Eiermann und seine Ausleger" breitete er zuletzt im Mönchengladbacher Museum seinen trivialen Eier-Kosmos aus, der von Picasso bis zur Kinder-Schokolade reichte.

©Annette Schroeder 1997